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PNN Spezial:Kultur (23.5. 2008) Böse Zellen kommen Dennis Oppenheim im Kunstraum und auf der Wiese Noch hängen die drei Hirschköpfe „unversehrt“ als Trophäen an der Wand. Doch spätestens morgen, wenn die große Dennis Oppenheim-Ausstellung im Kunstraum eröffnet wird, werfen ihre Geweihe Flammen. Der abgeschlagene Kopf auf dem Boden wird auch das trostlos erdulden. Der bekannte New Yorker Künstler, dessen Werke bereits überall auf der Welt einen Platz gefunden haben, operiert mit Überraschungen. Nichts erschließt sich auf den ersten Blick, und doch nimmt bereits der erste Blick gefangen. Man spürt die spielerische Freude an technischen Finessen, die bei Oppenheim punktgenau auch inhaltliche Kreise ziehen. Wie das berührende „Älterwerden“: 20 kleine Figuren sind nebeneinander aufgereiht, mit fahlen Gesichtern und hängenden Schultern. Sie fallen immer mehr in sich zusammen, bis sie kraftlos am Boden liegen. Das rote Licht, das übermächtig auf sie scheint, kennt kein Erbarmen, zeigt in voyeuristischer Manier das leise Dahinsiechen. Ob aufgebraucht nach getaner Arbeit oder am Ende des Lebens. Aus einer anderen Ecke dringt ein monotones, stöhnendes Geräusch: ein harter Holzstuhl schiebt sich in penetranter Gleichförmigkeit in einen weichen Sessel hinein. Was wird heraus kommen aus dieser fragwürdigen Vereinigung? Dennis Oppenheim schuf diese Arbeit in den 80er Jahren, als das Thema Genforschung seine Befürchtungen nährte. „Man will etwas Neues in der Gesellschaft, aber es funktioniert nicht immer. Schnell schlägt die Mutation auch eine verkehrte Richtung ein.“ Um das Thema Genetik ging es ihm auch in seiner Arbeit „Böse Zellen kommen“, so der 70-jährige Künstler beim gestrigen Presserundgang. Dabei symbolisieren die im Kreis aufgebauten Schlagzeugbecken rote und weiße Blutkörperchen. An ihnen hängen Glasflaschen, gefüllt mit blauer Flüssigkeit. Oppenheim kombiniert Dinge aus dem Labor mit denen aus dem Konzertsaal: Geht Kreativität mit ungebremstem Forscherdrang eine unheilvolle Allianz ein? Auf jeden Fall scheint die im Rot-Blau-Weiß der amerikanischen Flagge kreierte Installation auf eine Infektion zu deuten. Und schnell könnte die Flüssigkeit in den Flaschen überkochen. Der rotierende Brenner hätte dafür die nötige Energie. Inmitten der Retrospektive, die gut 40 Jahre umfasst, steht Dennis Oppenheim selbst: als Marionette an dünnen Fäden. Wie ein fremdgesteuerter Dirigent. Was mag es sein, was den Künstler umtreibt? „Man ist inspiriert und weiß nicht, warum. Aber es ist wichtig, es zu wissen“, so der Performer über die vielen Möglichkeiten der Manipulation. „Es gibt bestimmte Zonen, in denen man sich wohl fühlt, aber das Wichtigste ist doch, als Künstler auch Grenzen zu überschreiten, Dinge zu tun, die einem Angst machen.“ Seine Arbeit „Rot werden“ thematisiert auch diesen inneren Disput. Anders als seine raumgreifenden, kraftstrotzenden Arbeiten ist der Künstler selbst eher ein „Leisetreter“. Den kanonartig gesungenen Freudenchor, der gestern von Kulturpolitikern aus Stadt und Land auf ihn angestimmt wurde, nimmt er bescheiden zur Kenntnis und das große Loch in seinem abgetragenen Pullover wirkt wie ein schalkhaftes Augenzwinkern dazu. „Ausstellungen wie diese, entwickeln sich ganz langsam“, sagt er. Der Prozess sei nicht nur abhängig vom Künstler selbst, sondern auch von den Ausstellungsmöglichkeiten. Die offerierte ihm Kurator Erik Bruinenberg schon vor zehn Jahren in der Schiffbauergasse (PNN berichteten). Doch erst jetzt waren die Bedingungen für Oppenheim reif. Die Wahl aus über tausend Arbeiten sei nicht nach einem bestimmten Thema oder unter kuratorischem Blick erfolgt, sondern danach, was am besten ins Containerschiff passte. Dennoch sei er zufrieden, so Oppenheim. „Es ist ein sehr kleiner Ausschnitt, aber er zeigt repräsentativ, wer ich bin und was ich mache.“ Erik Bruinenberg hob den internationalen Charakter der Ausstellung hervor, der gut zum Kunstraum passe. „Die Schiffbauergasse braucht ein solches Kaliber, aber es fehlt das Geld dafür.“ Im Kontext betrachtet seien die etwa 50 000 Euro für die Oppenheim-Ausstellung, die durch einen Mix aus öffentlichem und privatem Geld zustande kam, schon eine relativ große Summe, hielt Hajo Cornel vom Kulturministerium dagegen. Auch die Investitionen in den Standort Schiffbauergasse machten schließlich solche Ausstellungen möglich. Birgit-Katharine Seemann, Potsdams Fachbereichsleiterin Kultur und Museum, befand ebenfalls, dass Dennis Oppenheim sich gut am Ort wiederfinde. „Er schafft Kunst, die in Bewegung ist. Und auch die Schiffbauergasse hat ihr Gesicht immer wieder verändert.“ Dennoch habe diese Ausstellung bereits musealen Charakter, betonte Katja Dietrich-Kröck vom Waschhaus-Verein, der sonst im Kunstraum ganz aktuelle Tendenzen beleuchte. „Oppenheims Werke sind Klassiker der modernen Kunst.“ Während im Kunstraum viele Worte fielen, keimte im Freien allmählich die aktuelle Kunst Oppenheims, die urbanes Leben und ländlichen Raum vereint und deshalb zu den 50 von Kulturland Brandenburg geförderten Projekten im Themenjahr „Provinz und Metropole“ gehört. Auf dem Rasen vor dem VW Design Center wächst Dennis Oppenheims alternative Landschaft: Bäume, die mit ihren „Blüten“ aus Alltagsgegenständen jeder Jahreszeit trotzen. Dass sie auch nachts leuchten und den Weg erhellen können, dafür reichte das Geld am Ende dann aber doch nicht. |